Das neue Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe (§ 217 StGB)

Die Mehrheit der Bevölkerung war nicht dafür: Gleichwohl hat der Gesetzgeber in § 217 StGB am 06.11.2015 (in Kraft getreten am 10.12.2015) die „geschäftsmäßige Sterbehilfe“ unter Strafe gestellt.

Wer – seit dem 10.12.2015 (vorherliegende Handlungen sind nicht betroffen) – in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird nun bestraft (mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe).

Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des auf diesem Weg Getöteten ist oder diesem nahesteht.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte im Beschluss vom 21.12.2015 (Az. 2 BvR 2347/15) einen Eilantrag gegen diese Neuregelung ab, die nun erhebliche Probleme in der Praxis bereitet. Der Gesetzgeber wollte damit sog. „Sterbehilfevereine“ kaltstellen, die den Abgeordneten moralisch ein Dorn im Auge waren (der Autor teilt diese Auffassung nicht) und verwendete hierzu das unbestimmte Tatbestandsmerkmal „geschäftsmäßig“, was nicht „gewerbsmäßig“ oder „entgeltlich“ meint, sondern auf ein wiederholtes Verhalten abstellt. Noch nicht der „Einmaltäter“, der sich nicht vornimmt, regelmäßig Sterbehilfe zu leisten, sondern Personen und Organisationen, die ihr organisiertes Verhalten auf Sterbehilfe ausgerichtet haben, sollen pönalisiert werden.

In Umfragen haben sich die Bürger im Vorfeld deutlich gegen dieses Verbot ausgesprochen, zumal die strafbare Beihilfe zu einer Haupttat (Suizid), die selber nicht strafbar ist, im deutschen Strafrecht als Fremdkörper daherkommt. Aber der Bundestag hat sich hierüber hinweggesetzt, was nun insbesondere für Ärzte, Pflegepersonal und Hospize die Frage aufwirft, wie sie sich in Zukunft verhalten können und dürfen, sollte der Wunsch nach Beihilfe zum Suizid (z. B. durch Überlassung eines entsprechend tauglichen Medikaments) an sie herangetragen werden. Das Gesetz schränkt den Täterkreis nicht ein, sodass grundsätzlich jeder Täter sein kann (eine Ausnahme für medizinisches Personal gibt es nicht). Ferner handelt es sich nicht um ein „Erfolgsdelikt“ (die Selbsttötung braucht daher nicht erst einzutreten, um sich strafbar zu machen), sondern um ein „Unternehmensdelikt“, womit jede Handlung mit der Absicht, die Selbsttötung zu fördern, nun grundsätzlich strafbar ist.

Niemand kann derzeit sagen, ob hierunter auch der im sog. Putz-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.06.2010 als straffrei entschiedene „Behandlungsabbruch“ (z. B. Abstellen der künstlichen Ernährung) fällt. Eine Textpassage in den Gesetzesbegründungen lässt dies zwar annehmen; im Wortlaut des § 217 StGB findet sich eine Klarstellung jedoch nicht.

Wie Lösungen im Umgang mit diesem „abstrakten Gefährdungsdelikt“ in der Praxis aussehen können, kann bislang nicht verlässlich beantwortet werden, da das Gesetz noch zu neu ist und Revisionsurteile des Bundesgerichtshofs in Strafsachen erst in einigen Jahren ergehen werden, nachdem die Staatsanwaltschaften Fälle der Selbstmord-Beihilfe nun zur Anklage bringen werden.

Auch wer Gelegenheiten zur Sterbehilfe im Ausland vermittelt, handelt dem Verbot zuwider. Der derzeit sicherste Weg ist wahrscheinlich, den Suizidenten auf einen „Angehörigen“ (Familienmitglied) zu verweisen, da dieser als Teilnehmer gem. § 217 Abs. 2 StGB ausdrücklich ausgenommen wird. Jedoch bedürfen auch diese Angehörigen zumeist wiederum Hilfe bei der Suizid-Assistenz, da nur die wenigsten wissen werden, wie man einem Menschen hilft, sich zuverlässig (und möglichst schmerzfrei) das Leben zu nehmen.

Zweifelhaft ist, ob folgende Argumentation zur Straflosigkeit verhelfen kann: Der Suizident habe in die Hilfeleistung zur Selbsttötung eingewilligt, sodass ein Rechtsfertigungsgrund vorliege. Das setzt nämlich voraus, dass das Rechtsgut Leben zur Disposition des Grundrechtsträgers steht – und an dieser Stelle wird die Diskussion vollends weltanschaulich und politisch, weswegen diese Verteidigung riskant erscheint. Einige Meinungen schlussfolgern aus der Freiheit der Person (Art. 2 GG) ein Recht, selber zu bestimmen, wann man sterben möchte; andere hingegen wollen dies wegen „der Würde des Menschen“, die „unantastbar“ ist (Art. 1 GG), nicht zulassen.

Die Gerichte werden in der Praxis schon nicht so streng entscheiden und Härten abzumildern versuchen. Abgesehen von der Selbstmord-Beihilfe durch Angehörige (und vergleichbar nahestehende Personen; wobei auch deren Definition Schwierigkeiten bereitet), gibt es bislang jedoch keinen eindeutig straffreien Ausweg aus diesem legislativ geschaffenen Problem.

Erstellt am 08.10.2019

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