Hochstapler – wenn der Schein trügt
Immer wieder fliegen sogenannte „Hochstapler“ auf und sorgen für Schlagezeilen. Besonders häufig findet man sie im medizinischen Bereich. Sie verschaffen sich durch gefälschte Ausweise und Zeugnisse Zugang zu Berufen, die eine hohe fachliche Qualifikation voraussetzen und damit einhergehend mit viel Verantwortung verbunden sind.
Ein Nährboden vermag nicht zuletzt der Personalmangel im Gesundheitssektor zu sein.
Es kommt beim Praktizieren durch einen „Hochstapler“ zumeist zu verheerenden Unfällen. Diese reichen von leichten bis hin zu schweren Behandlungsfehlern und zu Todesfällen.
Meist erst wenn es zu schwerwiegenden Zwischenfällen kommt, werden Nachforschungen betrieben und es fällt auf, dass die behandelnde Person nie über die ausreichende fachliche Kenntnis besessen hatte.
Strafrechtliche Konsequenzen
Es stellt sich die Frage, welche strafrechtlichen Konsequenzen ein solches Verhalten nach sich ziehen kann.
Juristisch gesehen, existiert das Delikt „Hochstapler“ nicht. Verurteilt wird unter anderem wegen Urkundenfälschung, Missbrauchs von Berufsbezeichnung, Betrugs sowie Körperverletzungs– und Tötungsdelikten.
Gert Postel
Ein besonders bekanntes Beispiel eines „Hochstaplers“ im Bereich der Medizin ist Gert Postel.
Als Postbote gelang es ihm, durch die Fälschung von Promotion und Zeugnissen, sich bis zur Stellung eines leitenden Oberarztes einer Psychiatrie hochzuarbeiten.
Zwischen 1980 und 1997 blieb er unentdeckt. Postel flog letztendlich auf, als er Unterlagen, darunter zwei gefälschte Ausweise, verlor.
Klaus D.
Auch der Fall Klaus D. verdeutlich, wie lange Hochstapler unentdeckt bleiben können. Ihm gelang es sogar ganze 20 Jahre, ohne dass jemand Kenntnis von seinem fehlenden Abschluss erlangte. Der Mann war ursprünglich gelernter Friseur. Mittels gefälschter Unterlagen, welche er sich aus Italien besorgte, arbeitete er als Chefarzt in einer Kinder- und Rehabilitationsklinik. Obwohl er in seinem Lebenslauf kein abgeschlossenes Abitur angab, wurden die Behörden auf ihn nicht aufmerksam und verliehen ihm einen Doktortitel.
Thomas Salme
Ein weiteres Beispiel stammt aus der Luftfahrt: Mehr als 13 Jahren gelang es Thomas Salme, unbemerkt als Pilot bei verschiedenen Airlines tätig zu sein, obwohl er keine Pilotenlizenz besaß. Das Fliegen lernte er in einem Flugsimulator. Durch eine gefälschte Ausweisnummer sowie durch falsche Papiere erschlich sich Salme den Platz im Cockpit. Als sein Betrug aufflog, wurde er von einem niederländischen Gericht zu einer Geldstrafe von 2000 Euro und einem 12-monatigen Flugverbot verurteilt.
Matthias G.
Auch im juristischen Bereich schaffen es Menschen, ohne die erforderlichen Abschlüsse und beruflichen Qualifikationen in hohe, gut bezahlte Positionen zu gelangen. Diese Stellen gehen meist mit sehr viel Verantwortung einher – umso schlimmer, wenn die erforderliche Expertise fehlt.
Matthias G. aus München arbeitete vier Jahre lang als Jurist für Großkanzleien und andere Unternehmen.
Er studierte zuvor sechs Semester Rechtswissenschaften an der Universität in München. Er bestand die Klausuren nicht und wurde daraufhin exmatrikuliert.
Er entschied sich dazu, die Zeugnisse des ersten und zweiten Staatsexamens am Computer mittels eines einfachem Schreibprogrammes zu erstellen.
Mit seinen zwei gefälschten Prädikatsexamina ebnete er sich den Weg in Kanzleien in denen die Einstiegsgehälter nicht selten an einer Marke von 100.000 € kratzen.
Obwohl seine Fälschungen Rechtschreibfehler aufwiesen, fiel sein Betrug zunächst nicht auf- Erst vier Jahre später, als er sich auf eine neue Stelle bewarb, kam sein Schwindel zum Vorschein.
Bei dem Prüfungsdatum des zweiten Examens, welches er auf seinem gefälschten Zeugnis eintrug, handelte es sich um einen Feiertag.
Berater der Landesregierung
Mitte 2024 stand ein Mann in Duisburg vor Gericht, der zuvor bis 2021 als Berater der Landesregierung NRW in Islamfragen tätig war.
Er legte zunächst gefälschte Staatsprüfungen als Lehrer beim Schulamt in Duisburg vor und arbeitet fortan 12 Jahre lang als verbeamteter Lehrer.
Später täuschte er die Universität Duisburg-Essen mittels gefälschter Zeugnisse hinsichtlich seiner Dissertation. Als Lehrbeauftragter mit einem Titel als Professor arbeitete er in der Folgezeit bei der Polizeihochschule und wurde bei der Beratung der Landesregierung NRW tätig.
Rückforderung des gezahlten Gehalts
Am 27.8.2007 flog eine junge Frau in Hamburg auf, die zuvor vier Jahre lang als Assistenzärztin im Klinikum Eppendorf arbeitete. Auch sie legte gefälschte Zeugnisse bei ihrer Einstellung vor.
Es stellt sich die Frage, ob das ihr gezahlte Gehalt durch den ehemaligen Arbeitgeber zurückgefordert werden kann.
Grundsätzlich führt der Betrug dazu, dass der Arbeitsvertrag angefochten werden kann.
Die Anfechtung bewirkt, dass der Vertrag rückwirkend entfällt. Es besteht ein Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, da die Leistung ohne einen Rechtsgrund, ohne einen Vertrag, erbracht wurde.
Jedoch kann der Beklagte dem Kläger den § 817 Abs. 2 BGB entgegenhalten. Der Kläger ist dazu verpflichtet, die ihm gewährten Vorteile durch die Leistung des Beklagten im Wert zu ersetzen.
Die Beklagte hatte als Ärztin in den vier Jahren Leistungen erbracht, von denen der Kläger profitiert hatte.
Im Ergebnis gleichen sich die beiden Ansprüche grundsätzlich gegenseitig aus.
Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen der Hochstapelei. Das Bundesarbeitsgericht entscheid in seinem Urteil vom 03.11.2004 (5 AZR 592/03), dass der Arbeitgeber den gezahlten Arbeitslohn für die gesamte Zeit der Beschäftigung herausverlangen kann.
Begründet wird dies damit, dass der Arbeitsvertrag von vorneherein nichtig war. Als Arzt muss eine Approbationsurkunde vorgelegt werden (§ 2 Abs. I BÄO).
Die Leistung, welche durch den „Hochstapler“ ohne berufliche Qualifikation erbracht wurde, wird von der Rechtsordnung missbilligt und unter Strafe gestellt. Die Leistung darf zu keiner Zeit erbracht werden.
Somit kann der gesamte Lohn, welcher der „Hochstapler“ in seiner Zeit der Anstellung erwirtschaftet hatte, durch den Arbeitgeber zurückgefordert werden.
Hochstapler lösen zugleich Faszination und Erschrecken aus – sie verdeutlichen, wie leicht Systeme auszutricksen sind. Diese Fälle appellieren an uns, eine gründliche Kontrolle der notwendigen Qualifikationen nicht zu vernachlässigen – insbesondere dann, wenn es um Menschenleben geht.
Quellen:
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Wie-ein-falscher-Arzt-Flensburger-Gesundheitsamt-narrte,falscherarzt116.html
https://www.n-tv.de/panorama/Wie-sich-ein-Postbote-zum-Arzt-schwindelte-article19927145.html
https://www.aerztezeitung.de/Panorama/Hochstapler-im-weissen-Kittel-314145.html
https://www.focus.de/wissen/mensch/psychologie/aus-lust-an-der-luege-falsche-aerzte_id_1792994.html
https://www.focus.de/panorama/welt/wie-ein-falscher-pilot-die-airlines-narrte-hochstapler_id_1744595.html
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/BayObLG-muenchen-bayern-hochstapler-falscher-anwalt-hochstapler-examen-gefaelscht-betrug-kanzlei
https://www.hensche.de/Arbeitsrecht_aktuell_Hamburg_falsche_Aerztin_am_Hamburger_Universitaetsklinikum.html
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Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht