Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen unwirksam

Viele Arbeitsverträge enthalten typische Ausschlussklauseln, die ungefähr wie folgt gestaltet sind:

„Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht drei Monate nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.“

Sind solche Klausel, die eine „schriftliche“ Geltendmachung verlangen, überhaupt wirksam – oder reicht nicht auch eine andere Form der Anzeige?

Hier hat sich durch den zum 1.10.2016 in Kraft getretenen § 309 Nr. 13 BGB eine wichtige Änderung zum Recht der „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGB) ergeben, der besagt, dass eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, gebunden werden

a) an eine strengere Form als die schriftliche Form in einem Vertrag, für den durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder

b) an eine strengere Form als die Textform in anderen als den in Buchstabe a genannten Verträgen oder

c) an besondere Zugangserfordernisse

unwirksam sind.

Die Vorschrift ist zwar nicht ausschließlich für das Arbeitsrecht konzipiert worden, sondern wurde zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Online-Geschäften erlassen, damit Verbraucher im Internetshopping für z.B. Rücktrittserklärungen oder Mängelrügen fortan nur die „Textform“ gegenüber der strengeren „Schriftform“ wahren müssen.

Da jedoch auch Arbeitsverträge der AGB-Kontrolle unterfallen und regelmäßig nicht individuell ausgehandelt werden, findet das Recht der AGB-Kontrolle auch auf Arbeitsverträge Anwendung.

Konsequenz für Arbeitsverträge: Textform genügt

Soweit in Arbeitsverträgen, die nach dem 1.10.2016 abgeschlossen oder (wesentlich) geändert wurden, noch eine besagte Klausel zu finden ist, wonach Urlaubsanträge, Krankenmeldungen, Fahrtkostenabrechnungen oder sonstige weitere Erklärungen mit Bezug zum Arbeitsverhältnis „schriftlich“ (d.h. auf Papier und mit Unterschrift, § 126 Abs. 1 BGB) abzugeben sind, ist diese unwirksam und reicht fortan Textform (Fax, E.Mail, SMS, WhatsApp, etc.).

Dem Gesetzeswortlaut nach (Übergangsregelung in Art. 227 § 37 EGBGB) gilt § 309 Nr. 13 BGB zwar erst ab dem 1.10.2016, so dass Altverträge aus der Zeit davor auf den ersten Blick nicht betroffen sein könnten, sondern nur Neuverträge. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht mit seiner sog. „Abänderungsrechtsprechung“ von 2002 entschieden, dass die Vertragsänderung eines Arbeitsvertrages aus einem Altvertrag einen Neuvertrag macht – so dass hiernach auch neues Recht zur Anwendung gelangt.

Ausschlussfristen entfallen

Die Konsequenzen des § 309 Nr. 13 BGB reichen jedoch noch weiter. Im obigen Beispiel war eine dreimonatige Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag vereinbart. Wenn die Schriftformklausel unwirksam ist, gilt dies für die gesamte Klausel, da eine „geltungserhaltende Reduktion“ nicht möglich ist. Die Klausel darf also nicht geteilt und so ausgelegt werden, dass sie in einen unwirksamen Bestandteil (Schriftform) und einen wirksamen Bestandteil (Frist) aufgetrennt wird und die 3-Monats-Frist zugunsten des Arbeitgebers erhalten bleibt, sondern ist insgesamt unwirksam. Die Konsequenz ist: Ansprüche der Arbeitnehmer verjähren nur gem. § 195 BGB innerhalb der 3-jährigen Verjährungsfrist ab Ende des Jahres, in denen sie entstanden sind.

Arbeitgeber bleiben weiterhin gebundenen Tarifvertrag gilt

Da § 309 Nr. 13 BGB jedoch nur die Verbraucher, sprich: Arbeitnehmer, schützen möchte, bleiben Arbeitgeber an die Schriftform und die Ausschlussfrist weiterhin gebunden. Gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB gilt die AGB-Kontrolle überdies nicht für Tarifverträge, die unmittelbar und zwingend kraft Tarifbindung Anwendung finden, § 4 Abs. 1 TVG. Sie gilt laut BAG auch dann nicht, wenn brancheneinschlägige Tarifverträge im Arbeitsvertrag in Bezug genommen werden. Umgekehrt bedeutet dies, dass die AGB-Kontrolle aber eröffnet bleibt, wenn nur einzelne Tarifvertragsklauseln und nicht der gesamte Tarifvertrag im Arbeitsvertrag in Bezug genommen wird.

Weitere Details zu diesem Thema: Besgen, Der neue § 309 Nr. 13 BGB: Wichtige Auswirkungen auf bestehende und neue Arbeitsverträge, Juris-Monatsmagazin 3/2017, S. 105-108

Erstellt am 08.12.2018

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