Leichtfertiges Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen als Ordnungswidrigkeit sanktioniert

Arbeitgeber, die Sozialversicherungsbeiträge leichtfertig nicht korrekt abführen, setzen sich erheblichen Risiken aus.

§ 266a StGB: Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

§ 266a Abs. 1 StGB als echtes Unterlassungsdelikt bestimmt die Strafbarkeit von Arbeitgebern, die der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vorenthalten. § 266a Abs. 2 StGB betrifft die vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge, wobei Nr. 1 die Strafbarkeit von Arbeitgebern regelt, die durch aktives Tun täuschen, indem sie über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben machen, während Nr. 2 die Strafbarkeit durch Unterlassen erfasst, indem der Arbeitgeber die zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt.
Dabei ist für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses das Vorliegen eines faktischen Arbeitsverhältnisses ausreichend, für welches es wiederum auf die tatsächlichen Gegebenheiten und die Umstände des Einzelfalls ankommt.
Im subjektiven Tatbestand muss wegen § 15 StGB vorsätzliches Handeln vorliegen. Der erforderliche zumindest bedingte Vorsatz setzt voraus, dass der Arbeitgeber erkennt und billigend in Kauf nimmt, dass in der Beschäftigung möglicherweise ein Abhängigkeitsverhältnis zu sehen ist und aufgrund dessen gegebenenfalls eine Abführungspflicht für ihn besteht. Er muss zudem erkannt haben, dass er durch sein Handeln die Pflicht zum Abführen von Sozialversicherungsangaben ganz oder teilweise verletzen könnte. Der Vorsatz des Täters muss sich – seit dem Beschluss des 1. Strafsenats vom 24.09.2019 – nicht mehr nur auf die maßgeblichen tatsächlichen Umstände beziehen, sondern auch eine zutreffende rechtliche Einordnung im Rahmen der Laiensphäre umfassen. Fehlt es an einer solchen rechtlichen Einordnung, so liegt ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB vor.

 

§ 8 Abs. 3 SchwarzArbG: Leichtfertiges Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen

Das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialversicherungsmissbrauch vom 11.07.2019 hat den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 8 Abs. 3 SchwarzArbG eingeführt.
Die Vorschrift verweist auf § 266a Abs. 2 Nr. 1, 2 StGB und sanktioniert das leichtfertige Begehen der dort genannten Handlungen als Ordnungswidrigkeit, wenn dadurch der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers vorenthalten werden. Durch die ausdrückliche Erwähnung auch der Arbeitnehmerbeiträge erfasst § 8 Abs. 3 SchwarzArbG daher als Erfolgsunrecht auch § 266a Abs. 1 StGB.
Die Norm ist als Auffangtatbestand zu § 266a StGB zu verstehen, da sie insbesondere solche Fälle erfasst, in denen der Vorsatz nicht nachweisbar ist oder der oben erwähnte Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB vorliegt, wodurch keine Strafbarkeit nach § 266a StGB gegeben ist.
Damit der Tatbestand des § 8 Abs. 3 SchwarzArbG erfüllt ist, muss der Täter seine Stellung als Arbeitgeber leichtfertig verkennen und dadurch gegen seine Pflichten aus § 266a Abs. 2 Nr. 1, 2 StGB verstoßen. Möglich ist aber auch, dass der Täter um seine Arbeitgebereigenschaft weiß, aber seine Pflichten aus § 266a Abs. 2 Nr. 1, 2 StGB leichtfertig verletzt.
Unter dem Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit ist dabei ein besonders hoher Grad an Fahrlässigkeit zu verstehen, der mit der groben Fahrlässigkeit im bürgerlichen Recht vergleichbar ist. Der Täter muss also außer Acht lassen, was jedem in der konkreten Situation hätte einleuchten müssen.

 

Somit besteht von nun an also – neben der Strafbarkeit nach § 266a StGB bei vorsätzlichem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt – der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 8 Abs. 3 SchwarzArbG für Fälle des Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen im Zusammenhang mit nur leichtfertigen Pflichtverstößen i.S.d. § 266a Abs. 2 Nr. 1, 2 StGB.

 

Ein Beitrag von Leonie Siebers.

Erstellt am 31.08.2020

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Leonie Siebers

stud. jur.