Was kann man tun, wenn unklar ist, ob der Nachlass überschuldet ist?

Häufig sind die Vermögensverhältnisse eines Verstorbenen unübersichtlich und es ist den Erben unklar, ob der Nachlass überschuldet ist.
In solchen Fällen kann eine Nachlassverwaltung angeordnet werden. Das zuständige Nachlassgericht bestellt auf Antrag einen Nachlassverwalter, der den Nachlass des Verstorbenen verwaltet und ordnet.

§§ 1975-1992 BGB: Beschränkung der Haftung des Erben

§ 1967 des Bürgerlichen Gesetzbuchs besagt, dass der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten haftet. Es ist allerdings möglich, sich der unbeschränkten Haftung des § 1967 BGB zu entziehen: In den §§ 1975-1992 BGB werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen ein Erbe die Haftung auf den Nachlass beschränken kann.
§ 1975 BGB legt fest, dass sich die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt, wenn eine Nachlassverwaltung angeordnet ist. Es kommt dann zu einer Trennung der beiden Vermögensmassen (des Eigenvermögens und Nachlasses) des Erben sowie zu einer Beschränkung der Erbenhaftung (vgl. Fuchs in: Creifelds, Rechtswörterbuch, Nachlassverwaltung, 24. Edition 2020).
Durch diese auf den Nachlass beschränkte Haftungsübernahme des Erben ist es somit möglich, dass ererbte Schulden nur aus dem Nachlass beglichen werden, d.h. der Erbe haftet nicht mit seinem eigenen Vermögen.

Anordnung der Nachlassverwaltung

Die Nachlassverwaltung wird vom zuständigen Nachlassgericht am ortsansässigen Amtsgericht auf Antrag des Erben oder eines Nachlassgläubigers bestellt. Die Möglichkeit der Beantragung durch den Erben findet sich in § 1981 Abs. 1 BGB; im Falle einer Erbengemeinschaft ist die Zustimmung aller Miterben nötig (§ 2062 BGB).
Die Beantragung durch einen Nachlassgläubiger ist gemäß § 1981 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Jahren seit Annahme der Erbschaft möglich, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet wird.

Nach § 1984 Abs. 1 Satz 1 BGB verliert der Erbe mit Anordnung der Nachlassverwaltung die Befugnis, den Nachlass zu verwalten und über ihn zu verfügen. Sobald der Nachlassverwalter also die Verwaltung des hinterlassenen Vermögens übernimmt, hat der Erbe kein Verfügungsrecht mehr über den Nachlass. Seine Rechte gehen auf den Nachlassverwalter über, der den Nachlass zu verwalten und die Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass zu berichtigen hat (§ 1985 Abs. 1 BGB). Dies umfasst „die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Verfügungen, die erforderlich sind, um das verwaltete Vermögen in seinem ursprünglichen Bestand zu erhalten und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu vermehren“ (vgl. Küpper in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1985, Rn. 3). Dafür nimmt der Nachlassverwalter den Nachlass in Besitz.

Wer trägt die Kosten?

Im Rahmen der Nachlassverwaltung entstehen an Kosten die Vergütung des Nachlassverwalters sowie Gerichtsgebühren.
§ 1987 BGB legt fest, dass der Nachlassverwalter für die Führung seines Amtes eine angemessene Vergütung verlangen kann. Diese erhält der Nachlassverwalter – was sich aus §§ 1982, 1988 Abs. 2, 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt – aus dem Nachlass. Eine subsidiäre Haftung der Staatskasse für die Vergütung des Nachlassverwalters scheidet aus, auch wenn der Nachlass mittellos ist, denn die Anordnung der Nachlassverwaltung dient vorrangig den privaten Interessen des Erben und der Nachlassgläubiger und erfolgt nur auf deren Antrag – so der BGH (Beschl. v. 14.3.2018 – IV ZB 16/17, ZEV 2018, 394, Rn. 15; 16).
§ 24 Nr. 5 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) legt fest, dass Kostenschuldner im gerichtlichen Verfahren nur die Erben sind. Somit müssen die Erben bei Anordnung einer Nachlassverwaltung für die Gerichtsgebühren aufkommen. Wird der Antrag allerdings zurückgenommen oder zurückgewiesen, gilt die allgemeine Regel des § 22 GNotKG. Kostenschuldner der Gebühr ist dann der Antragsteller (vgl. Sommerfeldt in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, 3. Aufl. 2019, GNotKG § 24, Rn. 7).
Liegen die Voraussetzungen der Nachlassverwaltung von Anfang an nicht vor oder stellt sich später erst heraus, z.B. nach Beauftragung eines Gutachters, dass diese eingangs schon nicht vorgelegen haben, können auf den Antragsteller gleichwohl Kosten zukommen, auch wenn er mit seinem Privatvermögen nicht eintreten wollte.

Wenn keine kostendeckende Masse vorhanden ist, kann die Anordnung der Nachlassverwaltung gemäß § 1982 BGB abgelehnt werden, was auch so entschieden wird. Dabei entscheidet das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen, gegebenenfalls mithilfe einer Schätzung durch einen Sachverständigen, wie hoch die Gerichtsgebühren und –auslagen, Auslagen für Bekanntmachungen (§ 1983 BGB) und die Vergütung des Verwalters (§ 1987 BGB) einschließlich seiner Aufwendungen zu bemessen sind (vgl. Küpper in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1982, Rn. 1).

Stellt sich erst später heraus, dass eine die Kosten deckende Masse nicht vorhanden ist, kann die Nachlassverwaltung gemäß § 1988 Abs. 2 BGB aufgehoben werden. Die Nachlassverwaltung endet dann mit Wirkung ex nunc und der Nachlassverwalter hat den Nachlassrest an den Erben herauszugeben (§ 1986 BGB) und Schlussrechnung zu legen (§ 1890 BGB). Die Haftung des Erben richtet sich dann nach §§ 1990, 1991 BGB. Der Nachlassverwalter kann aufgrund seiner Ansprüche auf Vergütung und Aufwendungsersatz ein Zurückbehaltungsrecht am Nachlass geltend machen (vgl. Küpper in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1988, Rn. 6).
In Fällen der §§ 1990, 1992 BGB kann sich der Nachlassverwalter wegen seines Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruchs aus dem Nachlass vorab befriedigen (vgl. Joachim in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage 2019, § 1987, Rn. 7; OLG Dresden OLGE 35 [1917/II] 373 f).

Abgrenzung zur Nachlasspflegschaft

Die Nachlassverwaltung ist eine Sonderform der Nachlasspflegschaft. Die Begriffe sind aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenfelder von Nachlassverwalter und –pfleger voneinander abzugrenzen.
Der Nachlasspfleger wird vor allem in den Fällen eingesetzt, in denen die Ermittlung der Erben voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird. So legt § 1960 BGB fest, dass das Nachlassgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen hat, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht oder der Erbe bzw. die Annahme der Erbschaft unbekannt ist (vgl. Abs. 1). Das Gericht bestellt den Nachlasspfleger von sich aus (§ 1960 Abs. 2 BGB) oder auf Antrag der Nachlassgläubiger (§ 1961 BGB). Anders als der Nachlassverwalter, der als amtliches Organ gilt, ist der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter des Erben; die Nachlasspflegschaft dient nicht der Ausführung des letzten Willens des Erblassers oder der Befriedigung der Nachlassgläubiger, sondern der Ermittlung des Erben und der Erhaltung des Nachlasses für ihn (vgl. Fuchs in: Creifelds, Rechtswörterbuch, Nachlasspfleger, 24. Edition 2020).

Vor- und Nachteile der Nachlassverwaltung

Die Nachlassverwaltung bringt Vor- und Nachteile mit sich.
Zum einen dient die Nachlassverwaltung der Sicherung des Nachlasses. Der Nachlassverwalter übernimmt die mit dem Erbe verbundenen Pflichten und es kommt dem Erben zugute, dass der Nachlass von seinem privaten Vermögen getrennt wird.
Auf der anderen Seite hat der Erbe vorerst kein Verfügungsrecht mehr über den Nachlass; für die Dauer der Nachlassverwaltung kann er nicht auf das Erbe zugreifen. Zudem wird das Nachlassvermögen durch die Vergütung des Nachlassverwalters verringert und es entstehen Gerichtsgebühren.

Um das Für und Wider der Nachlassverwaltung im konkreten Fall abzuwägen, ist es daher ratsam, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Ein Beitrag von Leonie Siebers.

Erstellt am 13.09.2020

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